Liebe Kolleginnen und Kollegen,
zur Debatte um eine Landeserstaufnahme (Lea) in Ludwigsburg nehmen die grünen Abgeordneten für Ludwigsburg Dr. Sandra Detzer (MdB) und Silke Gericke (MdL) wie folgt Stellung:
Die anhaltende Migration ist eine der größten Herausforderungen für unser Land. Die Kommunen leisten Großes, aber sie sehen sich am Limit und darüber hinaus. Das ist eine ernsthafte Belastungsprobe für unser Land. Deshalb kommt die Bundesregierung ihrer Aufgabe nach, Migration besser zu steuern und die Kommunen zu entlasten. Gleichzeitig erleben wir einen massiven Mangel an Arbeits- und Fachkräften. Wir spüren ihn im Alltag, wenn Unternehmen händeringend Arbeitskräfte suchen, Handwerksbetriebe Aufträge ablehnen oder Geschäfte und Gastronomie Öffnungszeiten einschränken. Aus diesem Grund ist es sinnvoll, Geflüchteten den Zugang zum Arbeitsmarkt zu erleichtern und ihnen bessere Chancen einzuräumen, ihren Lebensunterhalt selbst zu bestreiten.
Die Bundesregierung arbeitet in Brüssel erfolgreich an der solidarischen Verteilung von Geflüchteten unter den Mitgliedstaaten. Außenministerin Baerbock ist gelungen, woran ihre Vorgänger gescheitert waren: Im Ministerrat einen Kompromiss zwischen den unterschiedlichen Positionen der Mitgliedstaaten zu finden. Daraufhin haben EU-Parlament und EU-Kommission am 20. Dezember eine weitreichende Asylreform vereinbart: Es soll einheitliche Grenzverfahren geben und alle Mitgliedstaaten sollen sich an der Aufnahme Geflüchteter beteiligen, um die Staaten an der Außengrenze der EU, aber auch Länder wie Deutschland, die zu den beliebtesten Zielen der Geflüchteten zählen, zu entlasten. Damit gibt sich die EU endlich die Mittel einer transparenten und gerechten Asylpolitik.
Nach wie vor gilt der Grundsatz: Wir gewähren Verfolgten Schutz. Gleichzeitig müssen diejenigen, die keinen Anspruch auf Asyl haben, unser Land zügig verlassen. Am besten gelingt dies durch freiwillige Ausreisen, in anderen Fällen durch Rückführungen. Die Zahl der Rückführungen ist in diesem Jahr bereits um 27% höher als im Vorjahreszeitraum. Weitere Maßnahmen wie die Anhebung der Höchstdauer des Ausreisegewahrsams oder die beschleunigte Abschiebung von Schleusern und Mitgliedern krimineller Vereinigungen sind derzeit mit den Ländern und den kommunalen Spitzenverbänden in der Abstimmung. Kommunale Ausländerbehörden entlastet die Bundesregierung, indem subsidiär Schutzbedürftige ihren Status für drei Jahre erlangen. Bisher musste der Status Jahr für Jahr verlängert werden.
Arbeit ist der beste Integrationsmotor. Darum hat die Bundesregierung sowohl ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz als auch das Chancen-Aufenthaltsgesetz beschlossen. Damit erleichtern wir zugewanderten Menschen den Zugang zum Arbeitsmarkt und stellen sicher, dass sie schnellstmöglich ihren eigenen Lebensunterhalt bestreiten können. Die Beschäftigung deutscher Staatsbürgerinnen und Staatsbürger ist aufgrund der Altersstruktur der Bevölkerung rückläufig, dieser Trend wird sich in den nächsten Jahren verstärken. Der Anstieg der Beschäftigung in Deutschland wird durch ausländische Staatsangehörige getragen, insbesondere aus Nicht-EU-Staaten. Vor diesem Hintergrund ist es zentral, Arbeitsverbote abzuschaffen und Menschen schnellstmöglich die Chance zu eröffnen, eine Erwerbsarbeit aufzunehmen.
Land und Kommunen müssen ihrem gesetzlichen Auftrag gerecht werden, Geflüchtete aufzunehmen und zu versorgen. Die Grünen im Landkreis Ludwigsburg setzen sich intensiv für die Belange der betroffenen Kommunen ein. Die Justizministerin des Landes Baden-Württemberg, Frau Ministerin Marion Gentges (CDU), ist verpflichtet, zusätzliche Kapazitäten im ganzen Land für die Erstaufnahme von Geflüchteten zu schaffen. Dabei müssen sowohl die Zwänge der Landesregierung als auch die Belange der Kommunen abgewogen werden. Wir Grünen appellieren an alle Verantwortlichen, tragfähige Lösungen zu entwickeln und zu einer sachorientierten, vernunftgeleiteten Debatte zurückzukehren. Gegenseitige Schuldzuweisungen sind Fehl am Platz. Wir dürfen nie vergessen, dass die Ursachen der Migration in dem russischen Angriffskrieg, dem Nahostkonflikt und anderen geopolitischen Krisen unserer Zeit liegen.
Die Lösung für die Wahl einer Erstaufnahmestelle vor Ort muss aus grüner Sicht auf folgenden Eckpunkten basieren: Es muss eine ausreichende Anzahl an Erstaufnahmeplätzen im Landkreis und im gesamten Land zur Verfügung stehen. Bei der Auswahl der Plätze muss versiegelten Flächen der Vorzug vor Grünflächen eingeräumt werden. Und es muss eine Priorisierung mehrerer mittelgroßer Einrichtungen vor einzelnen großen Einrichtungen geben. Wir Grünen sind uns einig, dass jeder Landkreis im Land liefern muss. Für Ludwigsburg ist Landrat Allgaier in der Pflicht, alternative Standorte zu identifizieren und dem Land vorzuschlagen - auch gerne mehrere kleinere Standorte. Sollte dies nicht gelingen, sehen wir eine Bebauung des Schanzackers als unausweichlich.
Landeserstaufnahmen sind keine Integrationseinrichtungen. Originäre Aufgabe einer Landeserstaufnahme ist, Geflüchtete zu registrieren und medizinisch zu untersuchen. Nach der Registrierung haben die Betroffenen die Möglichkeit, ein Asylverfahren zu beantragen. Die Menschen, die in einer Erstaufnahmeeinrichtung untergebracht sind, verbleiben dort aktuell im Schnitt 5 Monate. Sie werden im Anschluss an einen anderen Aufenthaltsort in eine Folgeunterbringung vermittelt. Erst dort beginnt die eigentliche Integrationsarbeit.
Silke Gericke (MdL): "Angesichts der enormen Bedarfe bei der Erstaufnahme und Unterbringung von Geflüchteten trägt die gesamte Gesellschaft Verantwortung - und das nicht nur für ein oder zwei Jahre. Frau Ministerin Gentges hört den Ruf des Landkreistages und der Kommunen, mehr Erstaufnahmen zu etablieren. Wir möchten bei der Bewältigung dieser Herausforderung mit aller Kraft unterstützen, und das ist auch der Rat, den ich meinen Kollegen von der CDU im Landkreis Ludwigsburg gebe. Die Grünen setzen sich gegen Flächenverbrauch ein. Uns geht es aber auch um aktive humanitäre Hilfe, zu der wir verpflichtet sind und die nun eingefordert wird. So lange keine Alternativen im Bestand geschaffen werden können, werden auch unbebaute Areale geprüft.""
Dr. Sandra Detzer (MdB): "Humanität und Ordnung zu sichern, ist eine gemeinschaftliche Aufgabe. Wer mit dem Finger auf andere zeigt, wird seiner Verantwortung nicht gerecht. Die Bundesregierung hat in Brüssel bereits wichtige Einigungen erzielt, damit die Aufnahme von Geflüchteten in Europa solidarisch zwischen den Mitgliedstaaten erfolgen kann. Mit der jüngsten Einigung des Bundeskanzlers mit den Ministerpräsidenten erhalten die Länder und Kommunen mehr Geld und werden um zusätzliche 3,5 Milliarden entlastet. Vereinbart sind außerdem Kürzungen bei Leistungen für Geflüchtete, damit wird der Bund seiner Verantwortung gerecht. Umgekehrt muss nun auch die zuständige CDU-Landesministerin dafür sorgen, dass ausreichend Unterbringung-Kapazitäten im Land zur Verfügung stehen. Wenn der Schanzacker nicht bebaut werden soll, muss auch das Landratsamt Alternativen im Kreis anbieten. Markige Worte lösen kein Problem. Jede Ebene muss das ihre tun, um ihrer Verantwortung in der herausfordernden Situation gerecht zu werden. Die Gegner der Demokratie warten nur darauf, die Probleme zu nutzen, um Vorurteile und Rassismus zu säen."
Für weitere Fragen stehe ich Ihnen ebenso wie das Team im Grünen Haus in Ludwigsburg gerne jederzeit zur Verfügung.